Professoren geben Studentinnen ja gerne den Rat, wenn sie es nicht in den ersten Semestern geschafft haben sollten einen Doktor zu heiraten, dann müssten sie ihn halt selber machen. Gemäß dem Motto, nicht kleckern klotzen, habe ich mich für beide Varianten entschieden. Ich habe während des Studiums auf dem Standesamt promoviert und nach Abschluss meines Studiums noch selbst an der Uni. Hätten wir zu dieser Zeit unseren Wohnsitz in Österreich gehabt, wäre ich eine Frau Dr. Dr. geworden. A Wahnsinn, küss die Hand Frau Dr. Dr., aber lassen wir das…
Während es bei den Humanmedizinern üblich ist, seine Doktorarbeit während des Studiums zu machen, hat der Veterinärmediziner dafür erst nach Abschluss des Studiums Zeit. Da ich nicht in die Praxis, sondern in die Wissenschaft wollte, musste ich mir eine entsprechende Doktorandenstelle suchen. Durch meine HIWI-Stelle (studentische Hilfskraft) an einem großen Forschungszentrum war das nicht so schwierig. Ich wechselte das Stockwerk und ein bisschen das Thema und schon war ich Doktorandin. Ich arbeitete in einer klinischen Kooperationsgruppe, das hieß ich nutzte die Räumlichkeiten des Forschungszentrums, war über die Uniklinik angestellt und aus EU Mitteln finanziert. Ja da konnte man sich beglückwünschen, wenn man eine halbe Stelle hatte. Konkret hieß das, bei halber Bezahlung voll arbeiten.
Es gab aber auch voll arbeiten bei gar keiner Bezahlung und so gesehen gehörte ich zu den Topverdienern unter den Doktoranden. Nach Unterzeichnung des Vertrages bin ich zu einer Bank ein Konto eröffnen. Ich hatte nämlich vorher mein Konto bei einer großen deutschen Bank, die meine studentischen Einkünfte als Peanuts bezeichnete und so beschloss ich die Bank zu wechseln. Wer meine Peanuts nicht wollte, sollte auch meine Cashews nicht bekommen.
Ich marschierte also in eine Bankfiliale in der Nähe unserer Wohnung und erklärte dem netten jungen Mann in Anzug und Krawatte, dass ich gerne ein Konto eröffnen wolle. Er drückte mir seine Freude darüber aus, dass ich mich für seine Bank entschieden hätte, und begann die Formulare am Computer vorzubereiten, um sie anschließend Stück für Stück mit mir durchzugehen.
Bei der Angabe zum Nachnamen, sagte ich ihm er solle etwas Platz lassen, da kämen demnächst noch zwei Buchstaben hinzu. Ich glaube den Witz hatte er nicht so ganz verstanden, denn jetzt wollte er lieber die Angaben aus meinem Personalausweis abtippen. Bei der Angabe zum Arbeitgeber, nannte ich das Universitätsklinikum, so weit so gut, jetzt wollte er aber meinen Beruf wissen und der war ja nun einmal Tierärztin und genau so habe ich es gesagt.
Da tauchte der gleiche Gesichtsausdruck auf, den ich schon bei ihm gesehen hatte, als ich ihn aufforderte für den Nachnamen noch zwei Buchstaben frei zu lassen. Deshalb befürchtete ich schon, ich müsste jetzt auch noch meinen Tierarztausweis vorlegen.
Nein, jetzt kam etwas auf das ich nicht gefasst war, er schaute mich ganz ernst an und flüsterte:
„Mir können sie es doch sagen, steht es wirklich so schlecht um unser Gesundheitssystem, dass die Kliniken jetzt schon Tierärzte einstellen müssen?“
Klar hätte man ihn gerne in dem Glauben belassen, aber aus Respekt meinen humanmedizinischen Kollegen gegenüber klärte ich ihn darüber auf, dass er sich diesbezüglich keine Sorgen zu machen bräuchte, die Behandlung der Patienten obliege ausschließlich den richtigen Ärzten, nur im äußersten Notfall und bei Blasrohreinsätzen in der Anästhesie würde man auf uns zurückgreifen.
Wir erledigten die restlichen Formalitäten, er gratulierte mir zu meinem neuen Girokonto, ich verabschiedete mich höflich mit „Auf Wiedersehen“ und er sagte:
„In meiner Bank immer gerne.“
In Bezug auf den Zustand unseres Gesundheitssystems konnte ich ihn anscheinend nicht so recht überzeugen.
Hat man sein Abitur in der Tasche hält man sich für die Größte und denkt man wüsste alles, hat man sein Examen in der Tasche, weiß man, dass man eigentlich nichts weiß, das Gefühl geben einem zumindest die Professoren, und beginnt man mit der Doktorarbeit, merkt man, dass die anderen eigentlich auch nichts wissen, oder zumindest so tun. Da erfindet man also das Rad erst einmal neu, um dann, wenn man stolz seine Entdeckung kund tut, zu erfahren die Anderen fahren schon längst damit. Zum Glück sind aber nicht alle Anderen so und wenn man weiß, dass sich die größten Lichter oft unter den Scheffeln befinden, dann muss man einfach dort suchen. Ich habe ein paar ganz helle Lichter gefunden und so wurde auch mein Licht Stück für Stück heller bis es mir schließlich den Weg zum Rigorosum erleuchtete.
An mündliche Prüfungen war man nach 11 Semestern (kürzer ist nicht) Tiermedizin gewöhnt, doch das war drei Jahre her und so war dieser Tag ein, zumindest in meiner Erinnerung, zwar sehr schöner, aber auch furchtbar aufregender Tag. Er begann in der Früh schon damit, dass ich meine Kontaktlinsen suchte, aber leider nicht fand.
"Egal sagte mein Mann, Brille ist sowieso viel besser, macht einen seriöseren Eindruck."
Mein Göttergatte, der in den vergangenen drei Jahren öfter mal mit dem Vorschlag kam, es mit der standesamtlichen Promotion doch bewenden zu lassen, war jetzt doch stolz auf mich und mein Durchhaltevermögen, ich im Gegenzug ganz arg auf das seinige.
Beim Frühstück saß ich bereits in voller Rüstung, das aus Sakko, langer passender Hose und hohen! Schuhen bestanden hatte, denn unter meinen drei Prüfern befand sich keiner, bei dem man das KM-Syndrom (Kleiner Mann-Syndrom) hätte befürchten müssen.
Um mein Kampfkostüm von Kaffee- und Marmeladeflecken frei zu halten, trug ich einen geblümten Morgenmantel darüber.
Die Nervosität war so groß, dass ich diesen Mantel auch noch trug, als ich wenig später das Haus verließ.
Doch zum Glück hatten wir in der jetzigen Wohnanlage, in die wir während meiner Doktorandenzeit gezogen waren (wegen der Cashews konnten wir uns jetzt, wo es aus geruchstechnischer Sicht eigentlich nicht mehr so nötig war, eine Wohnung mit zwei Balkonen leisten)einen sehr rührigen Hausmeister mit einer noch rührigeren Gattin, die bei der Auswahl ihres Wischmoppeinsatzortes ein sehr feines Gespür dafür hatte, wo es sich am meisten lohnte, nicht immer zog sie dabei den Grad der Verschmutzung als Kriterium heran.
Nachdem ich ihr also buchstäblich in die Arme gelaufen war, fragte sie mich in ihrer sehr zurückhaltenden Art:
„Ja mei, heut hams es aber ganz eilig, wo woins denn hie scho in aller Herrgottsfria ?“
„Zum Rigorosum, wenn´s es genau wissen wollen!“
„Mei, I woaß zwar net was des is, aber wenn ma da im Morgenmantel hi ko, is des sicher nix gscheits.“
Ich schaute kurz an mir hinunter, ließ die Hausmeisterin in der Gesellschaft ihres Wischmopps stehen und lief zurück ins Haus.
Mein Mann der gerade aus dem Bad kam, schaute mich an und meinte:
„Wenn Du nicht unbedingt Wert auf diesen Mantel legst, solltest Du ihn zu diesem Anlass lieber nicht tragen.“
Da musste ich ihm recht geben und aus Angst ich könnte noch mehr Dummheiten machen bot er mir an, mich doch lieber mit dem Auto zur Uni zu bringen.
Dort angekommen, standen schon einige meiner Mitstreiter in Grüppchen zusammen, alle ebenfalls fein herausgeputzt, so wie man es sonst nur von den Juristen gewöhnt war.
An dieser Stelle muss man kurz erklären, dass es an der tiermedizinischen Fakultät nur zwei Termine im Jahr, also einen pro Semester gab und auch heute noch gibt, an denen Rigorosums Prüfungen abgehalten werden und in Folge dessen treffen sich da ein paar mehr Kandidaten, als zum Beispiel in den Naturwissenschaften, wo man sich den Termin für das Rigorosum dann geben ließ, wenn die Arbeit fertig war. Bei uns musste die Arbeit rechtzeitig zum Termin fertig sein, das war ein feiner Unterschied, den man nicht unterschätzen durfte, andernfalls wartete man nämlich ein halbes Jahr auf die nächste Möglichkeit zur Teilnahme am Rigorosum. Wegen der großen Anzahl an Kanditen wurde man ähnlich wie bei den Examensprüfungen auch hier in Gruppen eingeteilt, die dann vor dem gleichen Triumvirat die Prüfung ablegten, allerdings hier nicht mehr gleichzeitig in einem Raum, sondern schön einer nach dem anderen.
Das ist gut, wenn man der erste in der Reihe ist, aber blöd, wenn man der letzte ist. In meinem Fall war es doppelt blöd, ich war die letzte und auch noch in der „falschen“ Gruppe.
Während bei uns gerade die zweite herauskam, ging in der Gruppe nebenan die letzte hinein. Was ich aus dem Studium noch wusste war, für den zeitlichen Ablauf einer Prüfung gab es zwei Parameter, die entscheidend waren, das Wissen des Studenten und die aktuelle Tagesform des Prüfers.
Daraus ergaben sich dann mehrere Kombinationsmöglichkeiten:
-Student weiß viel und Prüfer hat gut geschlafen = lange Prüfung mit meist erfolgreichem Ausgang.
-Student weiß viel, Prüfer hat schlecht geschlafen = kurze Prüfung mit mehr oder weniger erfolgreichem Ausgang.
-Student weiß wenig und Prüfer hat gut geschlafen = lange Prüfung mit schlechtem Ausgang.
-Student weiß wenig und Professor hat schlecht geschlafen = extrem kurze Prüfung mit direktem Weg zum Ausgang.
Hier war die Gleichung etwas komplizierter, denn es gab zwei Unbekannte (sprich Prüfer) mehr und so beschloss ich, in Anbetracht meiner XXS Kenntnisse in Mathematik, mir hier mal nichts aus zu rechnen, sondern einfach mal abzuwarten.
Gefühlte 5 Sitzfalten mehr in meiner Hose war ich endlich an der Reihe. Ich betrat das Zimmer, begrüßte die Herren und nahm auf dem, schon durch meine Vorgängerinnen, gut vorgewärmten Stuhl Platz.
Zu Beginn einer jeden Prüfung wurde man gefragt, ob man sich körperlich und geistig in einwandfreiem Zustand befand. Hier machte man sich regelmäßig einer Falschaussage strafbar, du siehst auch wir haben von den Juristen etwas gelernt, denn um da bleiben zu dürfen musste man dies bejahen, auch wenn es gelogen war. Aber das war eben auch eine dieser Fragen, die sich dadurch schon ad absurdum führte, dass sie zu Beginn einer Prüfung gestellt wurde. Da möchte ich mal einen sehen, der sich in körperlich und geistig einwandfreiem Zustand befindet. Das geht nicht, hat man uns schon in Anatomie beigebracht und in Physiologie sogar die medizinische Erklärung dafür geliefert.
Die große Herausforderung, neben der eigentlichen Prüfung, bestand also darin sich nichts anmerken zu lassen und da muss ich sagen, ist an dem blöden Spruch, Übung macht den Meister, doch echt mal etwas dran gewesen.
Man hatte zum Beispiel das Problem mit den Schweißhänden dadurch in den Griff bekommen, dass man sie sich kurz vor der Prüfung mit Talkumpuder einrieb, wir waren ja hier auch in so einer Art sportlichen Wettkampf.
Um während der Prüfung seine Hände sinnvoll zu beschäftigen, bei mündlichen Prüfungen hatten sie sonst einfach zu viel Zeit für Blödsinn, halfen kleine Murmeln, auf die die Hände jetzt stattdessen aufpassen mussten.
Du siehst also, dumm durfte man sein, man musste sich nur zu helfen wissen.
Wie lief nun so eine Rigorosum Prüfung ab.
Zunächst hielt man einen etwa fünfzehnminütigen Vortrag über seine Arbeit, wobei man wieder merkte, dass Zeit ein sehr relativer Begriff sein kann, was für den Vortragenden eine Ewigkeit war, verflog für die Prüfer wie im Flug.
Im Anschluss daran wurden einem Fragen zu seiner Arbeit direkt gestellt und als krönender Abschluss kam die Schnellraterunde, mit Fragen zu themenangrenzenden Gebieten aus der Tiermedizin.
Alles in allem war das, zumindest im Nachhinein betrachtet, eine sehr angenehme Prüfung und wenn mir vorher einer gesagt hätte, dass ausgerechnet Fragen aus der Biochemie mir eine Eins in dieser Prüfung bescheren sollten, ich hätte ihn glatt für verrückt erklärt.
Draußen vor der Klinik wartete mein standesamtlich erworbener Doktor, gratulierte mir zum Doppeldoktor und wir gingen ins Café an der Ecke eine Kleinigkeit essen, bevor der nächste Programmpunkt startete. Die große Promotionsfeier in der Aula der Universität. Der Saal war bis auf den letzten Platz gefüllt mit stolzen Eltern, Großeltern, soweit noch vorhanden, Ehemännern, soweit schon vorhanden und auf der Bühne stand für jeden von uns ein eigens reservierter Stuhl, der deutlich höher war, als der seinerzeit in der Biochemieprüfung. Darauf Platz genommen haben wir aber erst, nachdem wir hinter dem Dekan der Fakultät, wie es sich für ihn bei diesem Anlass gebührt, natürlich im Talar, durch den Mittelgang der Aula zur Bühne hin stolziert waren. So saßen wir also auf der Bühne und strahlten mit den Zuschauern unten um die Wette, während Reden gehalten wurden und das Orchester der Uni Stücke von namhaften Komponisten zum Besten gab.
Der Höhepunkt war aber sicher die Übergabe einer vorläufigen Promotionsurkunde an jeden Einzelnen durch den Dekan.
Im Anschluss an die offiziellen Feierlichkeiten gab es Sekt und Schnittchen auf dem Gang vor der Aula. Hierbei entstanden dann auch die richtig guten Fotos fürs Familienalbum.
Um sich selber, vor allen Dingen aber auch dem Rest der Welt die Erweiterung des Namens um zwei Buchstaben und einen kleinen Punkt mit zu teilen, gab es abends noch eine Feier bei uns zu Hause und eine am nächsten Tag im Institut, wo man den, von den Kollegen gebastelten Hut bekam, wegen dem man ja die ganzen Strapazen eigentlich auf sich nahm, und die noch ausstehende Veröffentlichung der Arbeit in elektronischer Form.
Das war zugegebener Maßen die größte Herausforderung in diesem Zusammenhang, denn da galt es ganz strikte Regeln einzuhalten und wehe man hielt sich da nicht dran.
Offiziell durfte man(n) oder Frau, den Titel auch erst dann führen, wenn diese Formalitäten alle abgeschlossen waren. Ich konnte das damals gar nicht erwarten, ich wollte endlich für meine Hausmeisterin, das neue Türschild mit Dres. Kaiser an der Tür anbringen, denn der Eingangsbereich musste dringend mal wieder gründlich gewischt werden.