Von Sonnenbrand und Spaghetti al dente oder Parasitologie

 

Eine der größten Herausforderungen im Studium war die Parasitologie. Da hatte schon das Skript die Dicke des Telefonbuchs von Berlin nach der Wiedervereinigung.

Zur Einstimmung auf das Thema eine kleine Quizfrage:

Was haben Spulwürmer und die RTL Wollnys gemeinsam?

Man trifft sie nie alleine an, sie haben Namen, die man sich nicht merken kann und keiner braucht sie wirklich.

Wusstest Du die Antwort?

Dann hast Du das Grundprinzip der Helminthologie (Würmer, nichts als Würmer) schon einmal verstanden.

Wir brauchten da damals viel länger. So ein bisschen war das wie Ahnenforschung, immer wenn man dachte das war es, dann tauchte noch ein Cousin fünften Grades auf.

Wir arbeiteten uns von den Würmern über die Einzeller zu den Spinnentieren vor und wie in Anatomie galt auch hier, war man hinten angekommen, hatte man das vorne schon wieder vergessen. 

In den Übungen zur Parasitologie versuchte man deshalb uns mit Bildern aus den Familienalben die Damen und Herren Würmer näher zu bringen.

Richtig nah, manchmal zu nah für unseren Geschmack, kamen wir ihnen beim Blick durchs Mikroskop. Die reinste Freak-Show, das kann ich Dir sagen. 

Bei der Vorbereitung auf die Prüfung sahen wir rot und das nicht nur weil das die Farbe des Skripts war.

Von den höheren Semestern hörte man nur, die Prüfung sei absolut tödlich. Ich fragte dann mal einen, warum er dann noch hier herum lief, bekam aber keine Antwort und so musste ich es wohl oder übel selbst herausfinden.

Für den Fall, dass sie wirklich tödlich war und das in den höheren Semestern gut gemachte Geister waren, beschloss ich, den Tag vor der Prüfung lieber  nochmal in vollen Zügen zu genießen.

Ich fuhr mit der S-Bahn an den Starnberger See, setzte mich in eine Eisdiele und probierte mich durch die Sorten. Daheim sperrte zur gleichen Zeit mein Mann die Tür auf und wunderte sich schwer, dass ich nicht am Esstisch über meinen Büchern saß. Noch mehr wunderte er sich, als ich stattdessen abends mit rotem Gesicht und Schokoladeneisflecken auf meinem T-Shirt, in der Tür erschien.

Auch meine Prüfungsgruppenmädels fragten mich am nächsten Tag, als wir uns vor dem Institut zur Prüfung trafen, ob ich versucht hätte mir die Parasitologie ins Hirn zu brennen.

Auf meine Erklärung, dass ich den Vortag in einer Eisdiele verbracht hätte, erklärten sie mich für verrückt.

Mein erstes Thema in der anschließenden Prüfung waren dann die Entwicklungszyklen der Ascariden (Spulwürmer). Ich fand das zu meiner Gesichtsfarbe vollkommen unpassend, adulte (ausgewachsene) Spulwürmer sehen nämlich wie Spaghetti al dente aus und haben auch fast deren blasse Farbe, aber es lief trotzdem und gute vier Stunden später war die Prüfung beendet und ich hatte die Antwort auf meine Frage, ob die Parasitologie-Prüfung tatsächlich tödlich war.

Nein, zumindest in unserer Gruppe war sie für niemanden tödlich, nur die blöden Sprüche der höheren Semester waren es und der ein oder andere Parasit könnte es sein. 

Deshalb an dieser Stelle mal wieder ein Tipp für die aktuell Studierenden, egal welcher Fachrichtung. Hört nicht auf die älteren Semester, wenn sie Euch Schauermärchen über Prüfungen und Professoren erzählen, macht Eure eigenen Erfahrungen.

Ihr werdet sehen, manchmal ist es noch schlimmer, aber manchmal auch viel besser.

 

Woran das liegt?

Hier meine ganz persönlichen Theorien: 

 

Die Streber aus der Schule (und davon gibt es in diesen krassen NC Fächern doch den ein oder anderen) hören nicht damit auf zu streben, nur weil sie jetzt Studenten sind, im Gegenteil.

Fragt ihr aus Versehen so einen nach seiner Prüfung, gibt es zwei Möglichkeiten:

er sagt Dir, dass sie super einfach war, ihr nehmt es zu leicht und schon findet Ihr die Prüfung schwer.

Leidet der Streber zusätzlich auch noch an total übersteigerter Geltungssucht wird er behaupten, es wäre extrem schwer gewesen, er hätte sich aber super geschlagen.

Heißt für Euch, Ihr braucht jetzt ein extrem starkes Selbstbewusstsein und gute Nerven um überhaupt zu der Prüfung anzutreten.

Also immer genau überlegen, wen Ihr nach seinen Prüfungserfahrungen fragt und wenn überhaupt, immer ganz viele Meinungen einholen. Tendenzen lassen sich so erkennen, Einzelmeinungen führen oft nur in die Irre.

 

Eigenes Erlebnis:

(zur Erklärung: eine Prüfungsgruppe bei uns bestand aus fünf Studenten)

Ich unterhielt mich mit einer Studentin aus meinem Semester, die eine Prüfung schon hinter sich hatte, die mir noch bevorstand. Sie hatte bestanden und erklärte mir wie schwierig das doch war und wie sie es trotzdem super geschafft hätte (da sollte man bei manchen schon stutzig werden). Am anderen Tag telefonierte ich mit einer befreundeten Studentin, die mit eben jener in einer Prüfungsgruppe war. Ich beglückwünschte sie zur bestandenen Prüfung und dass das, in Anbetracht der Schwere der Prüfung, ja besonders toll wäre und da unterbrach sie mich und sagte:

„Bist Du sicher, dass wir von der gleichen Prüfung sprechen?“

 

Was lernen wir daraus, eine Prüfung fünf Kandidaten, fünf Meinungen.                   

 

Was kann noch passieren?

In unserem Semester war eine Studentin mit der Tochter eines Professors befreundet und so klärte sich eine extrem schwierige Prüfung schnell auf.

Besagter Prüfer hatte am Vorabend Knatsch mit seiner Frau und laut Angaben der Tochter würde das immer damit enden, dass er sich aus der Affäre zog, indem er sich in sein Arbeitszimmer verkroch. Da hatte er dann ganz viel Zeit, um sich besonders knifflige Prüfungsfragen für den nächsten Tag zu überlegen. Hat man Pech und sitzt am nächsten Tag bei jenem in der Prüfung, dann läuft es halt unter Umständen nicht ganz so rund.

Klar ist, die Aussagen dieser Prüflinge sind nur bedingt verwertbar, denn wann weiß man schon, ob der Professor den Abend vor der Prüfung mit seiner Frau oder im Arbeitszimmer verbracht hat. 

 

Auch das Phänomen der Unvereinbarkeit der Charaktere spielt bei mündlichen Prüfungen oftmals eine nicht zu unterschätzende Rolle.

In der Tiermedizin kann das spannend sein, denn nicht immer ist es der Prüfer mit dem man nicht kann, manchmal in den klinischen Fächern liegt es auch am zu untersuchenden Patienten.

Wenn man in seiner Kindheit schlechte Erfahrungen mit Terriern gemacht hat, freut man sich nicht unbedingt, wenn so einer in der Prüfung vor einem sitzt. 

In einer Tierklinik gibt es viele Patienten, die kommen und gehen und deshalb gebt nichts darauf, wenn Ihr Tipps bekommt, welche Patienten aktuell in Frage kommen könnten. Denn man schaut ganz schön blöd aus der Wäsche, wenn man mit einem Hund rechnet und dann sitzt da plötzlich ein Kaninchen.                                        

 

Ein weiteres Problem ist auch, dass ein Student der durchgefallen ist in den seltensten Fällen zugibt, dass er selber schuld war, da ist es schon einfacher zu sagen, die Prüfung und/oder der Prüfer waren schuld.

 

Ich kann mich an einen Fall erinnern, da hatte die Studentin in einer der drei Kliniken eines der drei großen Praktika absolviert und danach noch weiter als Famulantin gearbeitet. In der Prüfung ist sie dann durchgefallen, was nicht daran lag, dass sie viel schwierigere Fragen bekommen hatte, sondern der Professor hatte sich von ihr einfach mehr erwartet, denn schließlich hätte sie ja wochenlang in der Klinik mitgearbeitet und unter dem Strich wusste sie jetzt weniger, als die anderen aus der Gruppe.

Sie hatte sich einfach darauf verlassen, wegen des Praktikums eine Art Freifahrtschein zu haben und der Schuss war leider komplett nach hinten losgegangen. 

 

Also nicht verrückt machen lassen und egal was Ihr hört, es wird bei Euch auf alle Fälle anders sein. Eine Prüfung ist eine Gleichung mit ganz vielen Unbekannten und folglich auch sehr schwer auszurechnen. 

 

Aber nochmal kurz zurück zu den Parasiten:

 

Während des Studiums fragten wir uns ja oft, ob das mit diesen Gesellen wirklich in dieser Ausführlichkeit sein muss.

Aus heutiger Sicht denke ich darüber anders, denn ein praktizierender Tierarzt kommt an diesen Geschichten auf keinen Fall vorbei.

Es ist vielleicht nicht mehr unbedingt nötig, jeden Wurm oder Floh mit seinem Namen begrüßen zu können, aber man sollte ihn als solchen erkennen und wissen wie man diese ungeliebten Gäste wieder loswird.

 

In diesem Zusammenhang möchte ich auch noch etwas loswerden, das manche Hundebesitzer sicher nicht gerne hören, aber ich sage es trotzdem, als Tierärztin, Hundebesitzerin und Mutter:

Hundehaufen bitte eintüten und weg werfen und zwar in den Müll und nicht in die Landschaft!

Hast Du einen Hund und machst das mit dem Bücken schon, dann darfst Du an dieser Stelle aufhören zu lesen.

Gehörst Du noch zu denjenigen, die das Häufchen eher liegen lassen, dann möchte ich Dir gerne folgendes sagen:

jede aufgesammelte Tretmine ist ein Beitrag zur Unterbrechung der Infektionskette und trägt somit auch in gewissem Maße zum Schutz Deines Hundes vor einer Neuansteckung bei. Denn die Entwurmung ist keine Impfung!

Schnüffelt der Hund einen Tag nach der Entwurmung an einem infizierten Haufen, dann dauert es unter Umständen nicht lange und er hat die nächsten Würmer...

Abgesehen davon, bin ich sicher Du fluchst genauso, wenn Du in Hundesch...steigst und wie heißt es doch so schön: was Du nicht willst, dass man Dir tut, das füg auch keinem anderen zu.

 

Noch ein Aspekt, der mir als Mutter wichtig ist:

Kinder müssen und sollen ihr Immunsystem trainieren, aber da reicht es völlig, wenn sie auf Spielplätzen den Sand essen, da müssen keine Hundekacke oder Wurmeier dabei sein und das darf man einem Hundebesitzer auch einmal sagen, wenn er seinen Bello neben oder sogar auf dem Spielplatz laufen lässt.

 

 

Wenn Du heute eigentlich Spaghetti kochen wolltest, aber wegen des Vergleichs mit den Spulwürmern darauf jetzt keinen Appetit mehr haben solltest, mach es trotzdem, einfach nach dem Motto „Augen zu und durch“, das denkt sich der Wurm auch, wenn er nach einer langen Wanderung durch den Körper schließlich im Darm ankommt.